Jedes Startup funktioniert gleich, folgt demselben Schema in den ersten Jahren seines Lebens. Auch wenn immer wieder die Spezialisten kommen und sagen «bei mir ist es anders». Ich behaupte es ist auch bei 90% aller Spezialisten derselbe Ablauf der für den Erfolg notwendig ist. Mir ist bewusst, dass der folgende Artikel nicht einfache Kost ist. Aber ich bin überzeugt, dass sich die Lektüre lohnt. Gerade wenn du noch nie ein Startup selbst aufgebaut hast.

Die ersten 36 Monate eines Startups

Bevor wir tief in die Materie einsteigen, möchte ich die folgende Struktur zur grundsätzlichen Orientierung einführen. In der Branche als de facto Standart durchgesetzt haben sich die zwei Begriffe «Problem/Solution Fit» und «Product/Market Fit». Ash Maurya hat in seinem Buch «Running Lean» diese Phasen auch bereits beschrieben. Ich ergänze die Phasen in meinem eigenen Modell zusätzlich mit dem «Founders Fit» und der «Seed Round», symbolisiert als goldener Ring rund um den «Product/Market Fit».

Auf diese Beiden werde ich aber hier vorerst aber nicht weiter eingehen, sondern mich auf die inhaltliche Arbeit eines Founders – ich verwende den englischen Ausdruck und meine dabei immer beide Geschlechter – fokussieren. Dabei ist es mir wichtig, dass du als Founder verstehst, dass der Aufbau eines Startups keine gerade Linie darstellt. Im Gegenteil. Es ist eine konstante Suche nach Lösungen, Märkten und Werten. Ein Startup ist per Definition immer eine Unternehmensgründung mit einer innovativen Geschäftsidee und hohem Wachstumspotenzial.

Die Beschreibung eines Startups umfasst auch gleich die Inhalte der beiden Phasen vom «Problem/Solution Fit» (innovative Geschäftsidee) und vom «Product/Market Fit» (hohes Wachstumspotential). Konkret:

«Problem/Solution Fit»: Habe ich eine Lösung zu einem Problem und lohnt es ein Unternehmen darum zu bauen?

«Product/Market Fit»:  Habe ich ein Produkt welches vom Markt genug nachgefragt wird damit mein Unternehmen überleben kann?

Eines ist mir wichtig: Keine der Phasen kann für den nachhaltigen Erfolg ausgelassen werden. Oft sehe ich Founder die versuchen direkt beim «Product/Market Fit» einzusteigen. Beispielsweise wenn sie bereits ein Produkt in Eigenregie entwickelt haben. Oder sie haben eine Technologie mit Potential entwickelt und wollen diese nun direkt als Produkt anbieten. Der Einstieg im «Product/Market Fit» funktioniert in meiner Erfahrung höchst selten. Deshalb empfehle ich immer, ganz bewusst, die Tätigkeiten vom «Problem/Solution Fit», ob ein Produkt bereits existiert oder nicht, durchzuführen.

Warum? Meine Begründung ist immer dieselbe:

Du bist nicht der Markt.

Du als Mensch bist einzigartig und deshalb leider nicht repräsentativ für die grosse Masse des Marktes. Klar, es gibt die Founder Legenden wo ein einzelner Mensch – gefühlt – die Welt mit einer Idee revolutioniert. Wenn du aber genau hinsiehst, haben alle Founder klein angefangen. Airbnb war am Anfang auch einfach eine Luftmatratze und ein Raum. Auch Spanx hat mit abgeschnittenen Strumpfhosen begonnen. Also, warum sollte es bei dir anders sein? Der Weg von abgeschnittenen Strumpfhosen bis zu den ersten Spanx Strumpfhosen, produziert in einer Fabrik in North Carolina, verging ein Jahr. Ein Jahr, wo Sarah Blakely intensiv Research betrieben hat: Wie muss das Produkt wirklich funktionieren (beispielsweise den Kleidergrössen angepasste Gummibänder), wie wird das Produkt durch die zukünftigen Kundinnen wirklich akzeptiert, was kostet die Produktion und kann das Produkt patentiert werden. Das und noch mehr sind alles Fragen die du als Founder im «Problem/Solution Fit» beantworten musst. Erst nach dieser, absolut zentralen Phase solltest du dich um die mögliche Skalierung deines Produktes kümmern, dem «Product/Market Fit».

Der Problem/Solution Fit

Der Ausdruck «A problem worth solving» trifft den Nagel auf den Kopf. Wann ist die Lösung eines Problems so wertvoll, dass ein Unternehmen dafür aufgebaut werden sollte?  Die Quintessenz der Phase «Problem/Solution Fit» ist IMHO:

It’s all about learning! And the answer is market traction.

Als Startup im «Problem/Solution Fit» geht es primär um Wissensaufbau und Lernen ob die eigenen Annahmen und Überzeugungen effektiv der Realität des Marktes entsprechend. Als Founder hast du deinen «Problem/Solution Fit» gefunden, wenn die die folgenden vier Fragen mit Traktion am Markt belegen kannst:

  • Ist die Lösung für Kunden, also den Markt, von Interesse?
  • Wird für die Lösung durch Kunden bezahlt?
  • Ist ein Unternehmen welches sich der Lösung verschrieben hat, finanziell überhaupt machbar?
  • Ist die Lösung technologisch realistisch machbar?

Ich habe im «Startup Hacking» Modell diesen vier Fragen je einen eigenen Bereich geschaffen. Ich nenne diese Bereiche:

  • Attraktiv – wollen die Kunden meine Lösung für ihr Problem
  • Bezahlbar – wieviel zahlen die Kunden für meine Lösung ihres Problems
  • Finanzierbar – kann ich ein lebensfähiges Startup mit der herausgefundenen Zahlungsbereitschaft der Kunden aufbauen
  • Machbar – ist meine Lösung technisch überhaupt machbar?

Ich werde hier nicht im Detail auf die inhaltliche Arbeit in den vier Bereichen eingehen. Das würde den Rahmen des – bereits sehr langen – Blogposts doch auch sprengen. Ich beschränke mich auf die, aus meiner Sicht, wichtigsten drei Methoden um die richtigen Antworten auf die gestellten Fragen zu finden.

Der MVP

Das Minimal Viable Product, kurz das MVP, erlaubt es dir als Founder dein Produkt bereits in einem sehr frühen Stadium zu testen. Früh bedeutet wirklich früh. Nämlich dann, wo du meistens noch gar kein Produkt zur Verfügung hast. Und obwohl MVP das Produkt mit im Namen trägt, ist dies wohl eher missführend als wirklich sinnvoll. Die meisten MVP beinhalten nur kleine Teile des angedachten Produktes und kann nicht alle Fragestellungen des Problem / Solution Fit beantworten. Konkret liefert ein MVP Antworten auf zwei Bereiche des Problem / Solution Fit:

Ein MVP belegt durch Daten die Attraktivität und Bereitschaft zur Bezahlung des Marktes.

Varianten eines MVP

Du kannst dir vorstellen, dass es nun sehr viele Möglichkeiten gibt um einen MVP umzusetzen. Von Buzzwords wie No-Code bis zum in Asien entwickelten Produkt habe ich schon viele Varianten gesehen.
Grundlegend kannst du von Smoke Test bis zum Single Feature Product in allen Facetten einen MVP erfolgreich durchführen.

Bei der Wahl des MVP spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:

  • Vorhandene Team Fähigkeiten: Technisch orientierte Founder haben kein Problem einen Single Feature MVP zu entwickeln. Wiederum sind Markt orientierte Founder im Vorteil wenn es um rasche Smoke Tests mit No-Code / Low-Code Lösungen geht.
  • Die Produktidee: Ein Single Feature Product wird beispielsweise in der Hardware Entwicklung sehr schwierig. Oft brauchst du da einen richtigen Prototypen von deinem Produkt.
  • Der Markt: Kleine, hoch spezialisierte Märkte, beispielsweise im B2B Umfeld eignen sich nur schwer für eine statistische MVP Methode wie «Sell before you build» die eine grosse Nutzerzahl benötigt.
  • Vorhandene, finanzielle Mittel: Mit genügenden finanziellen Mitteln kann ein spezialisierter Dienstleister mit der Entwicklung beauftragt werden.

Ich könnte hier noch viel mehr über die MVP und die richtige Ausgestaltung schreiben, aber auch das würde den Rahmen den ich mir gesetzt habe sprengen. Deshalb mein Angebot an dich: Mach doch einen kostenlosen Call mit mir ab, wenn du konkret Unterstützung bei der Umsetzung deines MVP brauchst.


Sprich mit mir über deinen MVP


Der Proof of concept

Der Proof of concept ist aus zwei Aspekten wichtig für ein Startup. Zum Einen muss bewiesen werden, ob die angestrebte Lösung technologisch überhaupt machbar ist. Das ist insbesondere bei DeepTech Startups der Fall. DeepTech Startups sind charakteristisch Startups mit Lösungen die auf wesentlichen wissenschaftlichen oder technischen Herausforderungen basieren. Oft werden in DeepTech Startups bereits früh grosse Investitionen getätigt um den Proof of Concept zu entwickeln. Zum Anderen muss die wirtschaftliche Realisierbarkeit ebenfalls geklärt werden. Bewährt hat sich hier für mich eine Kombination aus Kosten für die Produktentwicklung und der Verfügbarkeit der notwendigen Technologie Fähigkeiten am Markt.

Die Business Model Canvas

Ja, ich gebs ja zu. Ich bin ein Fan erster Stunde der Business Model Canvas. Seit das Buch Business Model Generation von Alex Osterwalder 2010 publiziert wurde, bin ich begeistert. Ich habe deshalb mein «Startup Hacking» Modell kombiniert mit der Business Model Canvas. Wenn du als Founder also gerade dran bist ein Startup zu gründen, dann empfehle ich dir die Verwendung der Business Model Canvas in Kombination mit dem MVP und dem Proof of Concept. Vereinfacht gesagt, beantwortet der MVP alle Fragen gegenüber dem Markt und den Umsätzen, während der Proof of Concept die Fragen zur Realisierbarkeit und Finanzierbarkeit beantwortet. In Kombination auf der Business Model Canvas, hast du dann eine klare Aussage ob dein Startup effektiv überlebensfähig sein wird oder nicht. Einfach, oder?

Product/Market Fit

Während sich beim «Problem/Solution Fit» noch vieles um Theorie und Marktforschung dreht, spielt sich der «Product/Market Fit» deep in the trenches ab. Hier teilt sich die Spreu vom Weizen ob der Founder wirklich ein Entrepreneur ist oder nicht. Zur Erreichung des «Product/Market Fit» muss dein Startup gleich einige zentrale Elemente parallel entwickeln und am Markt verankern. Du legst nämlich nun die Grundlage für das zukünftige, rasche Wachstum deines Unternehmens. Wie schon im «Problem/Solution Fit» möchte ich dir einen charakteristischen Satz zum «Product/Market Fit» mit auf den Weg geben:

It’s all about experimentation. And the answer is growth.

Dank dem «Problem/Solution Fit» hast du deine Grundlagen. Du weisst, dass deine Produktidee grundsätzlich vom Markt akzeptiert wird und du eine Chance hast, ein erfolgreiches Startup zu kreieren. Was dir noch komplett fehlt, ist ein erfolgreiches Produkt und Wachstums. Üblicherweise hast du für den Aufbau von Beidem maximal 24 Monate Zeit und dann geht dir das Geld aus deiner Seed Runde aus. Und als ob du mit der Produktentwicklung und Vermarktung nicht bereits genügend zu tun hast, sind da ja noch deine Kunden. Der Kundenerfolg und das wiederholte, positive Engagement der Kunden mit deinem Produkt sind in der digitalen Welt der Schlüssel zum Erfolg. Oder wer möchte teuer einen Kunden im Marketing akquirieren nur damit er gleich wieder weg ist?

Auch hier hilft dir das «Startup Hacking» Modell deinen Fokus nicht zu verlieren. Ich habe dazu Elemente vom «Product Led Growth» von Bush Wes bei mir einfliessen lassen, bin aber der Überzeugung dass Growth Marketing und Sales bereits in sich vereint. Dafür fehlt mir neben dem Kundenerfolg (Success) bei Bush noch der Bereich des Engagement mit dem Produkt selbst. Gerade in der Subscription Economy ist das bewusste Engagement mit dem Produkt ein sehr wesentlicher Bereich der nicht vernachlässigt werden sollte.

Das aus meiner Sicht charmante im «Startup Hacking» Modell ist die explizite Messbarkeit die dadurch entsteht. Ich arbeite dazu immer mit demselben Set an KPI um die Entwicklung in Richtung «Product/Market Fit» zu steuern:

  • Customer Acquisition Cost
  • Viral coefficient
  • Product Usage
  • Churn Rate
  • Customer Lifetime Value
  • Net Promoter Score
  • Product development cost ratio

Growth

Wachstum in einem Startup sollte aus meiner Sicht immer messbar erzielt werden. Ich arbeite deshalb immer mit Zielen und KPI – als Buzzword fallt hier oft OKR – wie mein Wachstum aussehen wird. Gerade die klare Formulierung von Zielen wie «Wir gewinnen 500 Kunden in den nächsten 6 Wochen» erzeugt eine konkrete Denkweise, wie «Was muss ich tun, damit dieses Ziel real wird?». Auch wenn viele Experten gerne mit komplexen Systemen modernes Marketing beschreiben, so bin ich ein Verfechter der Einfachheit und des Fokus. Warum? Als Founder hast du weder Geld noch Zeit für Fancyness. Deshalb geht für mich B2B in den ersten Monaten der «Product/Market Fit» Phase nichts über klassische, One-on-One Sales Arbeit. Wichtig dabei ist einfach, dass du nicht versuchst stur deine Sales Story zu verkaufen, sondern aufmerksam pitchst und lernst, welche Argumente bei welchen Kunden verstanden und mit Begeisterung aufgegriffen werden. Erst wenn du dein Sales Script perfektioniert hast, dann beginnt die Automatisierung und Skalierung – aka Sales Mode On. Dasselbe gilt für das B2C Marketing. Ich empfehle jedem Startup, mit möglichst wenigen Kanälen Kunden zu Akquirieren und den Erfolg der einzelnen Massnahmen penibel genau zu messen. Was funktioniert wird intensiviert, was nicht geht wird weggelassen. Eine Test & Learn Phase von mehreren Monaten ist für mich beim Aufbau eines B2C Growth System nichts Aussergewöhnliches.

Success & Engagement

Die lieben Kundinnen und Kunden. Wäre das Leben als Founder nicht viel einfacher ohne sie? Spass beiseite (auch wenn jeder Founder den Gedankengang sicherlich kennt). Als Startup hast du zwei sehr wichtige Aufgaben: 1. deine Kunden erfolgreich machen und 2. deine Kunden erfolgreich machen. Denn ohne erfolgreiche Kundinnen und Kunden hast du keinen nachhaltigen Umsatz und all deine Anstrengungen das perfekte Produkt und die effizienteste Growth Engine zu bauen, werden kläglich scheitern. Nicht umsonst sind die Customer Success Manager in fast jedem Startup vorhanden. Ihr Ziel: Die Wechselrate tief zu halten und damit den Customer Lifetime Value, also den Umsatz der ein Kunde während der gesamten Geschäftsbeziehung bei dir erzeugt, zu erhöhen. Durch Mehrwert (Upselling) oder Verlängerung (tiefer Churn). Diesem Ziel dienlich ist das Engagement. Wenn ein Kunde regelmässig im gewünschten Sinn mit dem Produkt interagiert, dann ist die Wechselwahrscheinlichkeit sehr tief. Sobald in dem Verwendungsmuster ein Bruch vorhanden ist, dann ist das Frustpotential beim Kunden hoch und entsprechend wird sich der Kunde neu orientieren. Egal wie hoch der gestiftete Mehrwert deines Produktes ist. Oder noch einfacher formuliert:

Ein Kunde verwendet niemals ein Schrottprodukt. Und im Umkehrschluss: Wenn das Produkt vom Kunden nicht verwendet wird ist es Schrott.

Produkt Entwicklung

Was mich zur letzten Disziplin im «Product/Market Fit» bringt. Ein Disclaimer zu Beginn: Ich werde hier nicht auf eine Expertendiskussion über Produktentwicklungsprozesse lostreten. Es gibt viele Wege die nach Rom oder zum finalen Produkt führen. Ich selbst habe mich aber immer an die folgenden Glaubenssätze bei der Produktentwicklung gehalten und bin sehr gut damit gefahren:

  • Never build a feature that only you wants – Denk nicht im stillen Kämmerchen nach und bau dein Produkt für dich. Orientiere dich an Kundenanforderungen und teste neue Ideen rasch mit Kunden aus
  • Divide and conquer – Ich unterteile immer das Ganze in grosse Teile und dann diese in kleine, verdaubare Häppchen. Das UX Design, die Anforderungen und die Technologie Architektur
  • A plan replaces chance with error – Ich habe immer eine Roadmap für mein Produkt. Im Wissen, dass mein Plan relativ rasch nicht mehr stimmt und ich adaptieren werde
  • The shit WILL hit the fan – Produktentwicklung sollte nie dem Zufall überlassen werden. Jedes Produktteam sollte Continuous Deployment mit genügender Testabdeckung im Griff haben
  • Simplicty beats richness – Last but not least bin ich überzeugter Fan von Lösungen die ein Problem lösen und nicht versuchen 20 Probleme gleichzeitig zu lösen.

Ich hoffe mit meinen Gedanken dir bereits eine Orientierung für die ersten 36 Monate eines Startups gegegeben zu haben. Ich werde die einzelnen Punkte noch vertiefen und mit konkreten Beispielen und Methoden ergänzen. Das wird mein Buch «Startup Hacking». Wenn du Interesse hast, dann schreib dich doch auf der Startup Hacking Webseite auf die Waiting List und profitiere auch gleich von einem Frühbucher Rabatt.