Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir vor Jahren bei Audi die Entwicklungsteams über die ganze Welt koordiniert haben. Es war eine spannende Zeit, geprägt von Effizienz und dem Gefühl, etwas Grosses zu schaffen. 50 Entwickler*innen auf verschiedenen Kontinenten, alle verbunden durch klare Prozesse, moderne Tools und einem gemeinsamen Ziel. Der Schlüssel zum Erfolg war dabei immer ein gut durchdachter Workflow: Anforderungen wurden dokumentiert, in Jira-Tickets übersetzt und dann an Remote-Teams verteilt. Nach ein bis drei Tagen landete der Code bei uns – bereit für den Review und die unvermeidlichen Nachbesserungen.

Das Modell funktionierte. Es war effizient, skalierbar und erlaubte uns, Kosten zu sparen, ohne an Qualität einzubüssen. Die Mischung aus erfahrenen Entwickler*innen vor Ort und Remote-Kapazitäten bot eine perfekte Balance. Doch auch das beste Modell hat seine Grenzen – und ich hätte nie gedacht, dass diese Distruption bald kommen würde.

Die neue Realität: AI Agents wie Cascade

Letztes Wochenende habe ich etwas ausprobiert, das meine Sicht auf Softwareentwicklung komplett verändert hat. Cascade. Ein in den IDE Windsurf integrierter KI Agent. Es begann als Experiment, während eines freien Abends über den Jahreswechsel. Eigentlich wollte ich nur ein bisschen herumspielen, erste Erfahrungen sammeln. Am Ende habe ich in nur 90 Minuten die komplette Logik für eine App entwickelt. Ohne umfangreiche Vorkenntnisse in der verwendeten Technologie und definitiv ohne viel Coding Praxis. Und das Krasseste? Alles, was ich brauchte, war eine präzise Beschreibung meiner Anforderungen.

Der Prozess ist vergleichbar wie die Zusammenarbeit mit Remote-Teams. Nur statt Anforderungen in mühsamen Tickets zu strukturieren und auf Rückmeldungen zu warten, habe ich sie einfach in einem Prompt direkt in der IDE formuliert. Cascade hat in Sekundenschnelle den Code – als Diff für den Code Review – generiert und mir auch gleich den Terminal Prompt für den Test vorgeschlagen. Natürlich musste ich nachbessern – Qualitätssicherung bleibt ein zentraler Teil des Prozesses. Aber der Unterschied war frappant: Anstatt Tage auf Ergebnisse zu warten, benötigte Cascade nur wenige Minuten.

Eine Revolution in der Softwareentwicklung

Während ich da sass und die Geschwindigkeit und Präzision von Cascade bewunderte, konnte ich nicht anders, als über die Konsequenzen für meine Branche nachzudenken. Die Regeln der Entwicklung, wie ich sie 20 Jahre lang kannte, sind plötzlich auf den Kopf gestellt. Die sorgfältig aufgebauten Modelle mit Near- und Offshore-Teams, die wir in der IT so lange perfektioniert hatten, schienen plötzlich unnötig kompliziert. Wozu Tage warten, wenn Sekunden genügen? Wozu mehrere Entwicklungszyklen, wenn die KI direkt einsatzfähige Ergebnisse liefert?

Aber gleichzeitig wurde mir klar, dass dieser Wandel nicht das Ende von Entwicklerinnen bedeutet. Im Gegenteil. Es ist der Beginn einer neuen Ära, in der Menschen und KI gemeinsam arbeiten, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Die Rolle von Entwicklerinnen verändert sich: Statt Code zu schreiben, werden sie die Architekt*innen, die Strateg*innen, die Kritiker*innen. Es ist wie bei ChatGPT: Die Sprache muss man beherrschen, aber die mühsame Fleissarbeit übernimmt die Maschine.

Der Blick nach vorne

Ich glaube, dass wir am Anfang einer enormen Veränderung stehen. Besonders für Systeme mit klar definierten Anforderungen und überschaubarer Komplexität wird der Nutzen von grossen Remote-Teams abnehmen. Stattdessen werden lokale Experten-Teams wieder an Bedeutung gewinnen – nicht, weil sie den Code selbst schreiben, sondern weil sie die Prozesse gestalten und die Qualität sichern.

Es ist eine spannende Zeit, in der Effizienz und Kreativität eine neue Form finden. Und während ich die nächsten Schritte mit Cascade plane, frage ich mich: Wie wird die Softwareentwicklung in zehn Jahren aussehen? Was bleibt, was verändert sich? Eins ist sicher: Es wird nie mehr so sein wie vorher.

Die Zukunft ist hier. Und sie ist schneller, smarter und spannender als je zuvor.